Spintronik: Ein neuer Weg zu wirbelnden Spin-Texturen bei Raumtemperatur

Das Team um Sergio Valencia untersuchte die Proben mit Photo-Emissions-Elektronenmikroskopie unter Verwendung von XMCD an BESSY II. Die Bilder zeigen die radial ausgerichten Spintexturen in einer runden und einer quadratischen Probe, die aus einem ferromagnetischen Material auf einer supraleitenden YBCO-Insel besteht. Der weiße Pfeil zeigt den einfallenden Röntgenstrahl.

Das Team um Sergio Valencia untersuchte die Proben mit Photo-Emissions-Elektronenmikroskopie unter Verwendung von XMCD an BESSY II. Die Bilder zeigen die radial ausgerichten Spintexturen in einer runden und einer quadratischen Probe, die aus einem ferromagnetischen Material auf einer supraleitenden YBCO-Insel besteht. Der weiße Pfeil zeigt den einfallenden Röntgenstrahl. © HZB

Ein Team am HZB hat an BESSY II eine neue, einfache Methode untersucht, mit der sich stabile radiale magnetische Wirbel in magnetischen Dünnschichten erzeugen lassen.

In einigen Materialien bilden Spins komplexe magnetische Strukturen mit Durchmessern im Bereich von Nano- oder Mikrometern, in denen sich die Magnetisierungsrichtung verdreht und krümmt. Beispiele für solche Strukturen sind magnetische Blasen, Skyrmionen, Wirbel und radial ausgerichtete Vortizes.

Spintronik: Rechnen mit Spins

Unter dem Schlagwort Spintronik wird daran geforscht, solche winzigen magnetischen Strukturen zu nutzen, um Daten zu speichern oder logische Operationen durchzuführen. Der Vorteil: verglichen mit den mikroelektronischen Komponenten ist der Stromverbrauch von spintronischen Bauelementen extrem gering. Allerdings gelingt die Erzeugung und Manipulation von Skyrmionen nur in wenigen Materialien und unter ganz besonderen Umständen.

Der neue Ansatz

Eine internationale Kollaboration unter der Leitung des HZB-Physikers Dr. Sergio Valencia hat nun einen neuen Ansatz untersucht, mit dem sich komplexe Spin-Texturen in einer Vielzahl von Verbindungen erzeugen und stabilisieren lassen. Dabei handelt es sich um Radialwirbel, in denen die Magnetisierung zum Zentrum der Struktur hin oder von ihm weg gerichtet ist. Diese Art der magnetischen Konfiguration ist sehr instabil, da das System eine einfachere Konfiguration bevorzugt, die weniger Energie benötigt. Im neuen Ansatz können diese radialen Wirbel mit Hilfe von supraleitenden Strukturen erzeugt werden, wobei Oberflächendefekte für die Stabilisierung sorgen.

Ferromagnet auf YBCO-Insel

Die Proben bestehen aus mikrometergroßen Inseln aus dem Hochtemperatursupraleiter YBCO, auf die eine ferromagnetische Verbindung aufgebracht wird. Das Abkühlen der Probe auf unter 92 Kelvin (-181 °C) bringt YBCO in den supraleitenden Zustand. In diesem Zustand wird ein äußeres Magnetfeld angelegt und sofort wieder entfernt. Dieser Prozess ermöglicht das Eindringen und festpinnen (pinning) von magnetischen Flüssen, die wiederum selbst ein Magnetfeld erzeugen. Dieses magnetische Streufeld sorgt in der ferromagnetischen Schicht für die Ausbildung von radialen Wirbeln.

Nützliche Defekte

Wird die Temperatur im Anschluss erhöht, geht YBCO vom supraleitenden wieder in den normalen Zustand über. Damit verschwindet das Streufeld und damit auch der entsprechende magnetische Radialwirbel. Das Team um Valencia beobachtete jedoch, dass Oberflächendefekte dies verhindern: Radialwirbel bleiben in diesem Fall erhalten, bis hin zu Raumtemperatur.

Ähnlich wie Skyrmionen

Kleinere Wirbel hatten einen Durchmesser von etwa 2 Mikrometern und sind damit etwa zehnmal so groß wie typische Skyrmionen. Das Team untersuchte Proben mit kreisförmigen und quadratischen Geometrien und stellte fest, dass kreisförmige Geometrien die Stabilität der eingeprägten magnetischen Radialwirbel erhöhen.

"Wir nutzen das von den supraleitenden Strukturen erzeugte Magnetfeld, um den darauf platzierten Ferromagneten bestimmte magnetische Domänen aufzuprägen. Dabei haben wir entdeckt, wie Oberflächendefekte diese Spin-Texturen stabilisieren. Die magnetischen Strukturen ähneln denen von Skyrmionen und sind für spintronische Anwendungen interessant", erklärt Valencia.

Dies ist ein neuartiger Weg, um solche Strukturen zu erzeugen und zu stabilisieren, und er kann in einer Vielzahl von ferromagnetischen Materialien angewendet werden. "Das sind gute neue Aussichten für die weitere Entwicklung der supraleitenden Spintronik", sagt Valencia.

arö

  • Link kopieren

Das könnte Sie auch interessieren

  • Grüner Wasserstoff: Käfigstruktur verwandelt sich in effizienten Katalysator
    Science Highlight
    17.04.2025
    Grüner Wasserstoff: Käfigstruktur verwandelt sich in effizienten Katalysator
    Clathrate zeichnen sich durch eine komplexe Käfigstruktur aus, die auch Platz für Gast-Ionen bietet. Nun hat ein Team erstmals untersucht, wie gut sich Clathrate als Katalysatoren für die elektrolytische Wasserstoffproduktion eignen. Das Ergebnis: Effizienz und Robustheit sind sogar besser als bei den aktuell genutzten Nickel-basierten Katalysatoren. Dafür fanden sie auch eine Begründung. Messungen an BESSY II zeigten, dass sich die Proben während der katalytischen Reaktion strukturell verändern: Aus der dreidimensionalen Käfigstruktur bilden sich ultradünne Nanoblätter, die maximalen Kontakt zu aktiven Katalysezentren ermöglichen. Die Studie ist in „Angewandte Chemie“ publiziert.
  • Elegantes Verfahren zum Auslesen von Einzelspins über Photospannung
    Science Highlight
    14.04.2025
    Elegantes Verfahren zum Auslesen von Einzelspins über Photospannung
    Diamanten mit spezifischen Defekten können als hochempfindliche Sensoren oder Qubits für Quantencomputer genutzt werden. Die Quanteninformation wird dabei im Elektronenspin-Zustand der Defekte gespeichert. Allerdings müssen die Spin-Zustände bislang optisch ausgelesen werden, was extrem aufwändig ist. Nun hat ein Team am HZB eine elegantere Methode entwickelt, um die Quanteninformation über eine Photospannung auszulesen. Dies könnte ein deutlich kompakteres Design von Quantensensoren ermöglichen.
  • Solarzellen auf Mondglas für eine zukünftige Basis auf dem Mond
    Science Highlight
    07.04.2025
    Solarzellen auf Mondglas für eine zukünftige Basis auf dem Mond
    Zukünftige Mondsiedlungen werden Energie benötigen, die Photovoltaik liefern könnte. Material in den Weltraum zu bringen, ist jedoch teuer – ein Kilogramm zum Mond zu transportieren, kostet eine Million Euro. Doch auch auf dem Mond gibt es Ressourcen, die sich nutzen lassen. Ein Forschungsteam um Dr. Felix Lang, Universität Potsdam, und Dr. Stefan Linke, Technische Universität Berlin, haben nun das benötigte Glas aus „Mondstaub“ (Regolith) hergestellt und mit Perowskit beschichtet. Damit ließe sich bis zu 99 Prozent des Gewichts einsparen, um auf dem Mond PV-Module zu produzieren. Die Strahlenhärte konnte das Team am Protonenbeschleuniger des HZB getestet.